Steuermann wird Jurist und Papa

In der Serie „Mehr als Rudern“ blicken wir über den Bootsrand hinaus. Im neunten Teil haben wir bei Martin Sauer nachgehört, was ihn über den Leistungssport hinaus beschäftigt.

Martin Sauer ist als Steuermann im Deutschland-Achter eine Institution. Seit über 20 Jahren ist der Wriezener im Ruderboot unterwegs, nun geht er in seine letzte Saison. Bis zum Karriereende im Sommer zählt für den Steuermann des Deutschland-Achter nur Olympia. Für die Zeit danach hat sich der 37-Jährige schon einige Gedanken gemacht. In erheblicher Weise wird sich sein Leben aber auch schon vorher verändern, denn Sauer wird bald erstmals Vater.

„Dadurch wird sich bestimmt einiges ändern. Der familiäre Gedanke wird noch mehr in den Vordergrund rücken, das Kind wird einen großen Platz in unserem Leben einnehmen“, glaubt Sauer, der sich unheimlich auf die Rolle als Vater freut. Wenn er momentan nach dem Training nach Hause kommt, steht dementsprechend die Familie im Vordergrund.

Zu Hause kann Sauer ohnehin am besten entspannen und vom Leistungssport abschalten, am liebsten mit Freundin Laura und beim Kochen, Lesen oder Sport schauen. „So ist es für mich  angenehmes zu Hause, wenn ich nach dem Training Kraft und Lust dazu finde“, erzählt der mehrfache Weltmeister und Olympiasieger von 2012. Lange Jahre hat der Jura-Student der Ruhr-Uni Bochum auch Rechtsliteratur gewälzt. Mittlerweile hat er sein erstes Staatsexamen abgeschlossen, das zweite will er nach Olympia angehen.

„Alles, was ich an der Uni machen muss, habe ich abgeschlossen. Was nun fehlt, um Volljurist zu werden, ist das zweite Examen, das man vor Gericht machen muss. Das funktioniert allerdings nicht mit dem Rudern zusammen. Deswegen liegt der nächste Schritt erstmal auf Eis“ erklärt Sauer. Schon zuvor war es nicht einfach, den Leistungssport und das Studium zu vereinbaren. Als Steuermann trainiert Sauer ebenso viel wie die Ruderer und ist darüber hinaus als Bindeglied zum Trainerteam auch viel mit der Organisation des Teams beschäftigt.

Recht als Spiegel der Gesellschaft

„Das war an der einen oder anderen Stelle nicht einfach, aber ich habe immer gerne Jura studiert. Das Spannende am Rechtswesen ist für mich, dass sich letztlich darin spiegelt, wie eine Gesellschaft funktioniert. Gesetze sind etwas, das uns allen jeden Tag begegnet. Sie stehen nur auf dem Papier, es gibt Leute, die sie umsetzen und die sie einhalten müssen. Dieser Kontext zwischen idealer Vorstellung und Realität reizt mich“, erzählt Sauer: „Für andere ist es spannend, schwierige Fälle zu lösen – und das ist auch ein wichtiger Teil des Rechtswesens. Für mich sind die Funktionsweise der Gesetze und die Rechtssoziologie aber noch interessanter.“

Schnittstelle zum Sport

Seinen Beruf würde er nachher gerne mit dem Sport verbinden. Eine feste Idee hat er noch nicht. „Ich denke immer mal wieder an die Zeit danach, aber ich bin jemand, der sich voll auf das fokussiert, was kommt. Und das ist jetzt ganz klar Olympia. Deswegen gibt es ein paar lose Gedanken, aber ich bin noch nicht festgelegt“, berichtet der Berliner. Eine Schnittstelle zwischen Sport und Recht wäre das Sportrecht. „Das ist mir allerdings zu weit vom Sport weg. Ich hoffe, dass sich noch andere Möglichkeiten eröffnen werden, bei denen ich meine Qualitäten einbringen kann“, sagt Sauer weiter.

Vom Sportler zum Trainer?

Über Qualitäten verfügt der Steuermann des Deutschland-Achter reichlich, ob als Logistiker, Organisator, Motivator oder Trainer. Letzteres schränkt Sauer, der im Teenie-Alter drei Jahre lang eine Jugendmannschaft betreute, aber ein. „Es gibt eine Überschneidung zwischen Steuermann und Trainer, aber das ist ein anderer Beruf, den ich neu lernen müsste. Ich will mich jetzt nicht als Trainer bezeichnen, ich habe einen großen Respekt vor dem, was sie machen“, betont Sauer, der sich auch nicht vorstellen kann, direkt vom Sportler zum Trainer zu werden: „Ich habe den größten Teil meines Lebens mit Leistungssport verbracht. Ich will jetzt nicht einfach so weitermachen. Das letzte Mal, dass ich mich an einem Freitag auf ein freies Wochenende freuen konnte, war wohl in der Grundschule.“

„Nach Tokio ist Schluss“

Freie Wochenenden werden auch bis zum Sommer 2021, bis zu den Olympischen Spielen in Tokio, rar gesät sein. Ohne die Corona-Pandemie würde sich Sauer jetzt schon voll auf den Beruf stürzen, doch der Steuermann des Deutschland-Achter will noch einmal das olympische Gefühl aufsaugen: „Das eine zusätzliche Jahr macht es nicht einfacher. Geistig könnte ich noch Jahre weiter rudern, aber im Körper zwackt es hier und da schon mal. Die Olympischen Spiele sind ein schöner Endpunkt, nach Tokio wird für mich definitiv Schluss mit dem Leistungssport sein.“

08.12.2020 | von Felix Kannengießer

Schon 2012 bei Olympia in London steuerte Martin Sauer den Deutschland-Achter zur Goldmedaille.

Für die Ruderer ist Martin Sauer der verlängerte Arm zum Trainerteam.

Auch außerhalb des Ruderbootes ist Martin Sauer immer engagiert.

Fotos: Paul Hense, Detlev Seyb

 

Termine

EM in Szeged (Ungarn, 25.-28. April):
Achter: Bahnverteilungsrennen (Do., 13.27 Uhr): GBR, UKR, ROU, AUT, GER, ITA; Finale (Sa., 15.26 Uhr)
Zweier ohne Steuermann: Vorlauf (Do., 11.05 Uhr): GER, HUN, NED, SRB, SUI; Hoffnungsläufe (Fr., ab 10.53 Uhr; Halbfinale (Sa., ab 11.20 Uhr); Finale (So., 12.51 Uhr)
Live-Audio und Live-Tracker (ab Do.) und Live-Stream (ab Sa.): worldrowing.com

Qualifikationsregatta in Luzern (Schweiz 19.-21. Mai 2024)
Weltcup in Luzern (Schweiz, 24.-26. Mai 2024)
Weltcup in Poznan (Polen, 14.-16 Juni 2024)
Trainingslager in Völkermarkt
(Österreich, 18. Juni - 3. Juli 2024)
Trainingslager in Ratzeburg (11.-20. Juli 2024)
Olympische Spiele in Paris (Frankreich, 27. Juli - 3. August 2024)
SH Netz Cup in Rendsburg (6.-8. September 2024)

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