„Rudern ist ein Mannschaftssport“
Ein Rückblick auf eine außerordentliche Karriere: Richard Schmidt wird am Samstag mit der prestigeträchtigen Thomas Keller Medaille ausgezeichnet.Am Samstag erhält Richard Schmidt im Rahmen des Weltcups in Luzern die Thomas Keller Medaille. Wir blicken gemeinsam mit dem 38-Jährigen auf seine beeindruckende wie außerordentliche Ruder-Karriere zurück. Von 2009 bis 2021 saß er durchgehend im Deutschland-Achter, der in dieser Zeit zahlreiche Titel gewann: Olympia-Gold 2012 in London, anschließend Olympia-Silber in Rio und Tokio; dazu sechsmal WM-Gold, neunmal EM-Gold und etliche Weltcup-Erfolge. Im Rückblick erzählt Richard Schmidt von seinen Höhepunkten, der Bedeutung des Rudersports für ihn persönlich und dem weiterhin großen Drang, seinem Sport auch nach dem Karriereende etwas zurückzugeben.
Es geht zurück nach Luzern. Wie oft hast du hier gerudert? Was macht das Rudern auf dem Göttersee für dich im Rückblick auf deine Karriere aus?
Richard Schmidt: Es sind zwei Sachen. Erstmal ist es landschaftlich und vom Setting her mit die weltweit schönste Regattastrecke, sie ist extrem fair. Zum anderen war es sportlich immer ein Höhepunkt. Hier treffen sich die besten Ruderer, mit denen man sich messen kann. Wenn man in Luzern gut fährt, hat es meistens eine Signalwirkung zur darauffolgenden Weltmeisterschaft oder zu den Olympischen Spielen. Wenn man hier gewinnt, ist es immer etwas ganz Besonderes.
Und du persönlich hast hier ja viele Siege errungen…
Richard Schmidt: Ja, ich glaube, dass ich hier öfter gewonnen habe. Es waren aber auch immer packende Rennen. Ich erinnere mich gerne an die Regatta 2017, als wir uns gegen Australien – eine Woche nach Henley – durchgequält haben. Das war ein Rennen auf Messers Schneide – genauso wie ein Jahr später.
Achter-Rudern ist tägliches Arbeiten im Team. Was bedeutet Teamwork für dich?
Richard Schmidt: Rudern an sich ist eine Mannschaftssportart. Das wird im Achter-Rudern besonders extrem zelebriert. Wir haben immer versucht, Mannschaften zu kreieren, die individuell extrem stark sind und auch ziemlich gut zusammenhalten und zusammenfahren können. Für uns war immer sehr wichtig, dass wir gerade auch dann gemeinsam unseren Ruderstil aufrechterhalten, wenn wir – im Training oder im Rennen – platt sind. Mir macht es Spaß, im Team gemeinsame Herausforderungen anzugehen, vielleicht auch mal Rückschläge zu erleiden und am Ende zu gewinnen.
„Ich hatte viele tolle Mitruderer“
Wofür steht Rudern darüber hinaus für dich?
Richard Schmidt: Gerade früh morgens, Nebel, das Gleiten über glattes Wasser – die Verbundenheit zur Natur. Wie es sich anhört, wenn man im Flow ist. Ein Achtzylinder, der genau abgestimmt ist. Das ist das eine. Dazu kommt: Ruderer sind andere Menschen. In der Regel sind sie sehr ehrgeizig, haben ein genaues Ziel, viel Ausdauer, sie müssen sehr leidensfähig sein. Jeder weiß: Die Winter können sehr hart sein, aber genau da wird die Grundlage für die Medaillen gelegt. Das formt den Menschen und den Ruderer. Ich hatte das Glück, viele tolle Mitruderer zu haben. Das verbindet für eine längere Zeit oder fürs Leben danach.
Du hattest viele Begegnungen während deiner langen Sportkarriere…
Richard Schmidt: Klar, da haben sich Freundschaften entwickelt. Ich habe durchs Rudern sehr viele enge Freunde gewonnen – im Achter, aber auch aus anderen Disziplinen und aus dem Trainer- und Betreuerkreis. Wir hatten eine Basis und waren auf einer Wellenlänge, weil wir die zuvor beschriebenen Attribute gelebt haben. Wir sind respektvoll miteinander umgegangen, haben uns gegenseitig gefördert, waren – in der nationalen Selektion – auch Gegner. Das macht den Reiz aus.
Und auf internationaler Ebene waren auch einige Persönlichkeiten dabei…
Richard Schmidt: Sportlich sehr beeindruckend fand ich die Leistungen etwa von Hamish Bond, auch ein guter Freund von mir. Ich bin auch im engen Kontakt mit vielen anderen. Cool war auch das gemeinsame Rudern und der Austausch mit Ruderern wie Drew Ginn, Duncan Free, James Cracknell und Alex Partridge zuletzt beim Head of the River Race in London.
Wenn du drei Momente herauspicken müsstest. Welche haben dich besonders geprägt und bleiben womöglich immer in deiner Erinnerung?
Richard Schmidt: Die erste Olympiateilnahme 2008 war beeindruckend. Das war ja gleichzeitig mein erster richtiger Zielwettkampf im A-Bereich. Und klar, der Olympiasieg vier Jahre später – aber hier waren es eher die Stunden vor dem Finale, also die Vorbereitung auf dem Regattaplatz, als jeder Zeit für sich hatte und wo man viele Sachen im Kopf durchgegangen ist. Das bleibt hängen – und dann der erste WM-Titel, aber auch der letzte. Die WM in Bled ist mir noch stark in Erinnerung geblieben und auch Tokio: Ärgerlich war die ganze Situation rund um Corona, aber auch, dass wir da nicht so richtig in Tritt gekommen sind. Letztlich ist es schwierig, mich auf drei Momente zu reduzieren. Ich muss sagen: Die Phasen 2009 bis 2012 und 2017 bis 2021 waren schon sehr ähnlich und sehr erfolgreich. Davon bleibt viel hängen.
„Olympia ist das Größte – das vermiss ich sehr“
Du kannst auf vier Olympia-Teilnahmen zurückblicken, hast einmal Gold und zweimal Silber mit dem Deutschland-Achter gewonnen. Welche Eindrücke hast du mitgenommen von Olympia?
Richard Schmidt: Ich muss ehrlich sagen: Ich habe die Sportler letztes Jahr in Paris beneidet. Da wäre ich gerne nochmal dabei gewesen. Olympia ist das, worauf man als Amateursportler von Kindesbeinen an hinarbeitet. Ich hatte das Glück, viermal dabei zu sein und dann noch drei Medaillen zu gewinnen. Das ist schon krass. Darüber bin ich sehr dankbar. Dieser Reiz und diese Anspannung – man arbeitet vier Jahre darauf hin, der Punkt kommt immer näher, auf einmal ist er da, dann stehst du im Finale, dann musst du performen – das vermisse ich schon sehr. Die Atmosphäre bei Olympia ist eine tolle Erinnerung. Ich hoffe, dass es nicht so ist, aber ich habe das subjektive Gefühl, dass der Wert von Olympia bei jungen Menschen nicht mehr so hoch ist wie damals bei mir. Für mich ist Olympia das Größte. Es ist das größte sportliche Ereignis. Das sollte so bleiben.
Du bist ein Vorbild für viele. Was würdest du jungen Sportlern mitgeben, was rätst du ihnen, um vielleicht einmal ähnlich oder auch nur annähernd so erfolgreich zu werden wie du.
Richard Schmidt: Wichtig ist immer das Team, das ein gutes Niveau hat, gut zusammenarbeitet und die Einstellung hat, gewinnen zu wollen. Ohne Kompromisse und mit voller Leidenschaft. Dann wird das Ergebnis auch kommen. Und egal wie das dann aussieht: Wenn man alles gegeben hat, kann man sich am Ende nichts vorwerfen. Man muss sich dazu committen. 90 Prozent geht eben nicht, man muss 100 Prozent geben. Man muss durchhalten, fleißig trainieren und den Ehrgeiz haben, immer neue Bestleistungen aufzustellen und weiterzukommen. Stillstand ist Rückschritt. Talent ist wichtig, aber ohne Fleiß und Disziplin wird es nicht funktionieren.
„Das Thema Präsidium im DRV liegt mir sehr am Herzen“
Das Leben ging für dich auch nach dem Karriereende auf der Überholspur weiter: Promotion, der Beruf in verantwortlicher Position bei Hauptsponsor Wilo als Leiter des Bereichs Wasserstoff, Familie mit vier Kindern, Mitglied im Präsidium beim Deutschen Ruderverband. Schaffst du es, auch mal abzuschalten? Oder brauchst du das gar nicht?
Richard Schmidt: Natürlich muss ich auch mal abschalten. Das alles ist schon sehr viel, das gebe ich zu. Aber ich versuche das, was ich im Sport gelernt habe – den Spirit und den Ehrgeiz, in meinem neuen Lebensweg weiterzuleben und auch weiterzugeben. Mit Emotionen dabei sein und zu 100 Prozent alles geben. Auf halbe Sachen habe ich keine Lust. Wenn ich was anfange, will ich es richtig machen und manche Dinge dauern einfach ein bisschen. Klar, man ist schon immer am Limit. Aber gerade das Thema Präsidium beim DRV liegt mir sehr am Herzen. Der komplette Amateursport ist im Moment in einem schwierigen Fahrwasser. Gerade die Ruderinnen und Ruderer sind besondere Charaktere, die durch den Rudersport geformt werden. Ich hatte das Glück, während meiner aktiven Karriere in einem Setting zu sein, das ich erfolgreich sein konnte. Mir ist es wichtig, dass auch die nachkommende Ruder-Generation die Möglichkeit dazu hat. Das versuche ich, über meine Tätigkeit im Präsidium zu gestalten und meinen Input zu geben. Das ist nicht einfach, vieles braucht Zeit und ist mit vielen Kompromissen behaftet.
Vor Kurzem ist die aktuelle Mannschaft vom Deutschland-Achter bei der EM in Plovdiv mit 5:18,79 Minuten ganz knapp an die Weltbestzeit herangefahren, die du mit deinem Team 2017 (5:18,68) aufgestellt hast und die noch immer Gültigkeit besitzt. Was hast du in dem Moment gedacht, als du das gesehen oder davon gehört hast?
Richard Schmidt: Ich war auf dem Weg ins Schwimmbad mit meiner Familie und hab das Rennen übers Internet verfolgt. Als ich die Zeit gesehen hatte, konnte ich es erst nicht glauben. Weil ich unsere Zeit von vor acht Jahren nicht ganz genau im Kopf hatte, dachte ich im ersten Moment, unsere Zeit wurde gebrochen. Auf der einen Seite war ich natürlich enttäuscht, auf der anderen Seite war ich mega glücklich, dass die Zeit ein deutscher Achter geknackt hat und keine andere Nation. Aber dann hat mich Jonas Wiesen relativ schnell aufgeklärt, dass unsere alte Zeit noch Bestand hat. Das fand ich natürlich auch ganz gut. (lacht) Insgesamt war ich von der Leistung positiv überrascht. Ich war froh und bin optimistisch, es geht voran. Das zeigt, da ist ein Riesenpotenzial. Wichtig ist, dass die Jungs dranbleiben und eine stabile Saison fahren.
Samstag bekommst du die Thomas Keller Medaille im Rahmen des Weltcups in Luzern verliehen. Was bedeutet dir diese renommierte Auszeichnung?
Richard Schmidt: Ich bin total geehrt und kann es immer noch nicht so richtig glauben. Es gab andere Sportler wie Annekatrin Thiele oder Ondřej Synek, die erfolgreicher waren, aber warum wurde ich jetzt ausgewählt? Das wurde mir bei der Bekanntgabe im Herbst letzten Jahres in Sevilla durch den Weltverband World Rowing ganz gut erklärt: Neben dem Erfolg, der eine maßgebliche Rolle spielt, ging es ihnen vor allem darum, dass ich mit meinen Mannschaften über einen langen Zeitraum eine Konstanz auf hohem Niveau gezeigt hatte und ich – laut deren Aussage – das Paradebeispiel bin für einen Typen, der für Rudern als Mannschaftssport steht. Diese Rückmeldung zu bekommen, finde ich schön und spiegelt sich damit, was mir Rudern in all den Jahren und auch heute noch bedeutet.
26.06.2025 | Interview: Carsten Oberhagemann
13 Jahre Deutschland-Achter: Von 2009 bis 2021 saß Richard Schmidt ohne Unterbrechnung im Flaggschiff des Deutschen Ruderverbandes und prägte eine außergewöhnlich erfolgreiche Zeit.
Olympia – großartige Erinnerungen, die ewig bleiben.
„Mir macht es Spaß, im Team gemeinsame Herausforderungen anzugehen, vielleicht auch mal Rückschläge zu erleiden und am Ende zu gewinnen“: Richard Schmidt ruderte in einigen Mannschaften zu Erfolgen.
Termine
German Finals in Dresden (02./03.08.2025)
Trainingslager in Ratzeburg (07.-28.08.2025)
SH Netz Cup in Rendsburg (08.-10.08.2025)
Trainingslager in Ratzeburg (04.-11.09.2025)
Weltmeisterschaften in Shanghai (China, 21.-28.09.2025)
Deutschland-Achter GmbH
An den Bootshäusern 9-11
44147 Dortmund
Telefon: 0231-985125-11
Telefax: 0231-985125-25
info@deutschlandachter.de