Olympia 1996: Durch turbulentes Fahrwasser zu Silber
Der Deutschland-Achter ist mehr als nur ein Ruderboot, viele unvergessliche Geschichten sind mit ihm verbunden. Wir blicken in den kommenden Monaten auf die olympischen Medaillen des Team Deutschland-Achter zurück. Heute: Olympia 1996 in Atlanta.Den Olympischen Spielen 1992 ging eine lange Siegesserie des Deutschland-Achter voraus. Bei Olympia 1996 in Atlanta waren die Vorzeichen andere: Nach einer durchwachsenen Saison wurde der Deutschland-Achter kurzerhand sechs Wochen vor den Spielen umbesetzt. Mit großer Ungewissheit flog die Achter-Crew nach Atlanta, wo sie beim größten sportlichen Event ihre ersten gemeinsamen Rennen absolvierte. Trotz aller Dramatik im Vorfeld gewann das deutsche Flaggschiff letztendlich in den USA die Silbermedaille.
Seit dem Olympiasieg 1988 hatte der Deutschland-Achter vier Weltmeisterschaften in Serie für sich entschieden. Doch auf dem Weg zu den Olympischen Spielen in Atlanta bekam das deutsche Flaggschiff erste Dellen. Bei der WM 1994 in Indianapolis sprang nur der vierte Platz heraus. „Das war nach der Serie, die sich seit 1988 ergeben hat, eine Katastrophe“, sagt Marc Weber, der zu diesem Zeitpunkt im Vierer ohne Steuermann saß und ein Jahr später den Sprung in den Deutschland-Achter schaffte.
Im Olympiajahr zunächst hinter den Erwartungen
In neuer Besetzung lief es 1995 wieder, bei den Weltmeisterschaften im finnischen Tampere sicherte sich der Deutschland-Achter wieder Gold. „Aber die Olympiasaison war dann erneut alles andere als geradlinig. Wir sind bei einigen Rennen hinter den Erwartungen geblieben“, erinnert sich Weber und versucht, die Gründe dahinter zu erhellen: „Es ist schwer zu sagen, das war eine komplexe Geschichte. Vielleicht kann man im Rückblick sagen, dass sich das System etwas abgenutzt hatte. Man muss sich ja ständig neu erfinden und das war eine Zwischenphase, die es dafür wohl gebraucht hat. Vielleicht waren aber auch einfach nur die anderen besser.“
Umbesetzung vor Olympia
Als auch bei der internationalen Generalprobe in Luzern, bei der einige Nationen fehlten, nur Platz vier erreicht wurde, kam es zur großen Umbesetzung: Eine Hälfte der Achter-Crew wurde ausgetauscht – sechs Wochen vor dem Olympia-Start. „Das war eine Reflexion der Leistungen nach einer Reihe von mittelmäßigen Rennen und es ist ein Teil des Leistungssports, aber das war für alle Beteiligten sehr hart“, so Weber: „Ich kann das natürlich aus einer ambivalenten Sicht betrachten, denn für mich war es auch eine Erleichterung, dabei zu sein, und eine Wahnsinnssache, zum ersten Mal zu den Olympischen Spielen zu fahren. Aber wir wussten, dass die anderen kurz vor dem Ziel ihres Traumes beraubt wurden. Das war im ersten Moment niederschmetternd und demotivierend. Ich war innerlich auch lange überzeugt, dass ich einer der Streichkandidaten bin. Die Gefahr hast du während der Saison immer gespürt, da herrschte viel Druck und Stress im Team.“
Holpriger Start
Von Trainer Ralf Holtmeyer für den Deutschland-Achter nominiert wurden schließlich neben Weber Mark Kleinschmidt, Detlef Kirchhoff, Wolfram Huhn, Roland Baar, Ulrich Viefers, Thorsten Streppelhoff, Frank Richter und Steuermann Peter Thiede. Im finalen Trainingslager rauften sich die Ruderer zusammen. „Es war erst ein bisschen holprig, aber dann lief es langsam. Die neu hinzugekommenen Sportler haben uns auch tatsächlich einen Schub gegeben“, meint Weber und betont: „Das ist rein sportlich gemeint, menschlich haben wir uns alle verstanden, wir waren ja ein Team.“ Ohne gemeinsame Rennerfahrung ging es schließlich zur ersten Bewährungsprobe: bei Olympia. Auch dort verlief der Start holprig, im Vorlauf blieb der Deutschland-Achter hinter den USA und musste in den Hoffnungslauf. „Ich kann mich erinnern, dass es ein extrem hartes Rennen für uns war. Aber wir haben es geschafft und Selbstvertrauen gesammelt“, so der heute 48-Jährige.
Spannendes Finale
Obwohl die deutschen Ruderer beim Sieg im Hoffnungslauf einige Körner gelassen hatten, gingen sie das Finale mit viel Schwung an. Mit einer starken Kraftleistung blieb der Deutschland-Achter lange in Führung und musste erst auf den letzten 500 Metern den Favoriten aus den Niederlanden passieren lassen. „Wir sind das Rennen für unsere Verhältnisse eigentlich etwas zu schnell angegangen. Da sind wir alle über uns hinausgewachsen. Da muss ich auch die Rolle von Roland Baar als Schlagmann herausheben, der uns wahnsinnig angetrieben hat“, betont Weber.
Große Erleichterung
Und schließlich herrschte nach all dem Strapazen im Vorfeld große Freude über den Gewinn der Silbermedaille. „Es sind die größten Glücksmomente, wenn man sich selbst überrascht. Und das war hier der Fall. Es war eine schwierige Saison, aber wir haben es hinbekommen, als es drauf ankam. Nach dem Überqueren der Ziellinie war es eine richtige Erleichterung. Das war ein super Ergebnis und ein riesiger Erfolg. Ich bin bis heute sehr dankbar, dass ich dabei sein durfte“, erzählt Weber, der später in Cambridge studierte, das legendäre Boat Race gewann und seit Jahren in London lebt.
„Turbulent, aber erfolgreich“
Während die meisten Ruderer sich noch die Olympischen Spiele anschauten, brauchte Weber nach all den Anstrengungen etwas Abstand. „Ich war nach Olympia total erschöpft, vor allem mental. Nach dem Finale am Sonntag bin ich am Montagmorgen mit meiner Freundin nach Los Angeles geflogen. Das war im Nachhinein vielleicht eine der größten Fehlentscheidungen meines Lebens. Ich hätte mir Olympia noch anschauen sollen“, sagt Weber: „Ansonsten blicke ich aber nur mit guten Gefühlen auf Atlanta zurück. Es war turbulent, aber erfolgreich und für mich ein Wahnsinnserlebnis, das ich nie vergessen werde.“
16.03.2021 | von Felix Kannengießer
Die Achter-Crew und Trainer Ralf Holtmeyer bei der Verabschiedung vor dem Abflug nach Atlanta.
Durch turbulentes Fahrwasser ging es für den Deutschland-Achter bei Olympia 1996 zu Silber.
Marc Weber inmitten seiner Ruderkollegen vor Olympia.
Die Namen der Olympia-Medaillengewinner sind bis heute an der Ehrentafel im Stützpunkt Dortmund festgehalten.
Besetzung
Deutschland-Achter 1996: Frank Richter (DRC Hannover), Mark Kleinschmidt (RRG Mülheim), Wolfram Huhn (ARC Würzburg), Marc Weber (Berliner RC), Detlef Kirchhoff (Potsdamer RG), Thorsten Streppelhoff (RV Dorsten), Ulrich Viefers (Ruderklub am Baldeneysee), Roland Baar (Hannoverscher RC), Steuermann Peter Thiede (RC Hansa Dortmund). Trainer: Ralf Holtmeyer.
Vier Medaillen für den DRV
Bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta gewann der Deutsche Ruderverband (DRV) insgesamt vier Medaillen. Der Deutschland-Achter sorgte für die einzige Silbermedaille. Thomas Lange holt im Einer Bronze. Olympia-Gold sicherten sich der Doppelvierer der Männer (André Steiner, Stephan Volkert, Andreas Hajek, André Willms) und der Frauen (Katrin Rutschow-Stomporowski, Jana Sorgers, Kerstin Köppen, Kathrin Boron). Im Ruder-Medaillenspiegel bedeutete das Platz zwei hinter Australien, die zwei Bronzemedaillen mehr holten.
Termine
16.11.2024: BaselHead in Basel (Schweiz)
30.11-01.12.2024: Langstrecke in Dortmund
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