Olympia 1992: Der erste gesamtdeutsche Achter

Der Deutschland-Achter ist mehr als nur ein Ruderboot, viele unvergessliche Geschichten sind mit ihm verbunden. Wir blicken in den kommenden Monaten auf die olympischen Medaillen des Team Deutschland-Achter zurück. Heute: Olympia 1992 in Barcelona.

Bei den Olympischen Spielen 1992 waren alle Augen auf die deutsche Mannschaft gerichtet, denn nach der Wiedervereinigung waren Ost und West bei Olympia erstmals unter einer Flagge vereinigt. Auch der Deutschland-Achter trat in Barcelona als gesamtdeutsche Mannschaft an und sicherte sich am Ende die Bronzemedaille. Doch die Freude hielt sich damals in Grenzen. Warum, das erzählen Thorsten Streppelhoff und Detlef Kirchhoff im Rückblick. Außerdem erinnert sich Colin von Ettingshausen an die Silbermedaille des Zweiers ohne Steuermann zurück – die bis heute letzte Olympiamedaille für den Deutschen Ruderverband in dieser Bootsklasse.

Der Deutschland-Achter legte auf dem Papier eine astreine Olympiasaison hin, gewann alle Vorbereitungsrennen. „Aber rein ruderisch hat es nie so richtig zusammengepasst“, sagt Thorsten Streppelhoff, der damals im Bug des Deutschland-Achter saß. Er war schon 1991 Teil des deutschen Weltmeister-Flaggschiffs, ebenso wie Roland Baar, Ansgar Wessling, Frank Richter und Steuermann Manfred Klein. Außerdem ruderten mit Armin Eichholz und Bahne Rabe zwei Sportler aus dem Weltmeister-Vierer mit Steuermann von 1991 im Achter unter Trainer Ralf Holtmeyer. Hans Sennewald und Detlef Kirchhoff kamen vielfach medaillendekoriert aus der ostdeutschen Mannschaft ganz neu dazu.

Kirchhoff kann sich an die damaligen Zeiten noch gut erinnern: „Mit dem Saisonstart beim Frühtest in Köln freute ich mich wie ein Schneekönig, den Weg in die Nationalmannschaft zurück geschafft zu haben. Das Jahr zuvor war bei mir aus sportlicher Sicht sehr unerfreulich verlaufen. Wie viele andere ehemalige DDR-Ruderer auch, haben die Umstellungen der Wendezeit wohl zu viel Kraft gekostet und den Fokus auf andere Dinge gelegt.“ Nachdem er zwischenzeitlich schon an eine Beendigung seiner Laufbahn dachte, fand er mit Sennewald zusammen und lieferte starke Leistungen im Zweier ab. „Und plötzlich saßen wir tatsächlich drin im Deutschland-Achter, als die beiden ersten beiden Ossis. Toll!“, so Kirchhoff.

Drei Ruderstile

Das Team fand in der Saison Schritt für Schritt zusammen, doch ganz glatt lief es nicht. „So kurz vor den Spielen Teamfremde einzubauen, verursachte schon ein erhebliches Maß an Skepsis. Letztlich hatten wir uns aber ganz gut zusammengefunden“, findet Kirchhoff: „Für mich war es damals der beste Achter, den ich bis dato gefahren war. Mit den Erfahrungen späterer Jahre weiß ich aber, dass tatsächlich ein wenig Sand im Getriebe war.“ Streppelhoff stimmt zu, dass es menschlich im Team gepasst hat, und erklärt die sportlichen Hürden. „Damals kamen drei Ruderstile zusammen. Wir haben es am Ende auf den Regatten immer hinbekommen, weil wir eine physisch starke Mannschaft hatten. Aber wir mussten uns ruderisch dafür richtig zusammenraufen, auch in den Trainingslagern. Das hat mal besser und mal schlechter geklappt, es kam nie der richtige Schwung rein – das Selbstverständnis fehlte, das sich durch die Serie seit dem Olympiasieg 1988 gebildet hatte“, erzählt der heute 51-Jährige.

Zusammenspiel von Ost und West

Von außen waren nach der Wiedervereinigung die Augen vor allem auf das Zusammenspiel von Ost und West gerichtet. Innerhalb der Mannschaft war das kein Thema, wie Streppelhoff berichtet: „Natürlich hatten die beiden eine andere Biographie, aber ich fand es eher spannend, das kennenzulernen und mal aus erster Hand zu hören, wie die Zustände im Osten waren. Das Thema Ost-West haben wir eher locker genommen und auch mal Witze darüber gemacht. Wir kamen menschlich alle gut klar, auch wenn es insgesamt sicher Achter gab, die noch mehr zusammengewachsen waren.“

Treffen mit Kanzler Kohl

Auch den Kanzler der Wiedervereinigung durfte die Achter-Crew kennenlernen: Erst bei der Taufe des Bootes durch Helmut Kohl und später nach Olympia beim Empfang im Kanzleramt, wo Helmut und Hannelore Kohl die Sportler im Wohnzimmer bei einer Pfälzer Schlachterplatte begrüßten. „Helmut Kohl war ein witziger Gastgeber, und es war sehr interessant, das alles mal aus der Nähe mitzubekommen. Das wirkte schon fast ein bisschen surreal für mich. Eine politische Dimension habe ich darin allerdings nie gesehen“, so Streppelhoff, der mit der Mannschaft später noch mit dem Silbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet wurde.

Vorlauf geht verloren

Noch faszinierender waren für den Sportler aber natürlich die Olympischen Spiele. Mit damals 22 Jahren atmete er in Barcelona erstmals Olympia-Luft. „Ich war total beeindruckt damals, von der Größe, der Atmosphäre, dem gesamten Flair, einfach von allem“, sagt Streppelhoff. Das Sportliche ist ihm allerdings nicht in so positiver Erinnerung geblieben: „Der Vorlauf ging verloren, das war schon ein erstes Zeichen fehlender Souveränität.“ Trotz einer Verbesserung im Halbfinale wollte auch im Endlauf der ganz große Wurf nicht gelingen.

Aufholjagd jäh gestoppt

„Wir lagen immer ein bisschen hinten im Finale gegen Kanada und Rumänien. Ganz zum Schluss waren wir aber wieder dran. Steuermann Manfred Klein hat noch gesagt: ‚Wir holen auf, wir holen Silber.‘ Sogar Gold war drin. Und dann hatten wir plötzlich technische Probleme auf der Backbordseite und sind für einen Moment hängengeblieben. Dadurch war der Schwung wieder weg und das Rennen gelaufen. Nach der Zieleinfahrt waren wir alle enttäuscht“, berichtet Streppelhoff: „Der Deutschland-Achter war erfolgsverwöhnt und wir haben an uns selbst auch die Erwartung gestellt, Gold zu holen. Diese Bronzemedaille war deswegen eher eine der größten Niederlagen meiner Laufbahn. Es war einfach mehr drin.“ Immerhin reichte es zum Medaillengewinn. „Was ich noch genau weiß ist, dass ich heilfroh war, dass die Amerikaner weit genug weg waren und wir wenigstens die Bronzemedaille retten konnten. Insofern war bei mir die Enttäuschung nicht grenzenlos. Die Olympischen Spiele waren trotzdem ein tolles Erlebnis“, ergänzt Kirchhoff.

Zweier feiert Silber-Erfolg

Mit einem nochmal anderen Gefühl verließen Colin von Ettingshausen und Peter Hoeltzenbein die Olympischen Spiele in Barcelona. Das Duo holte Silber hinter den britischen Ruder-Legenden Steven Redgrave und Matthew Pinsent. „Wir haben das Maximale erreicht. Das waren unsere ersten Olympischen Spiele, in einer Traumstadt. Wir konnten Silber holen und danach das olympische Flair noch bis zur Abschlussfeier erleben. Das war ein Traum. Unvergessen auch die Willkommens-Feiern in unseren Heimat-Vereinen“, sagt der heute 49-Jährige.

Frust in Energie gewandelt

Über die Zweier-Leistung wollte sich das Duo eigentlich für den Achter qualifizieren und musste am Anfang der Saison erstmal eine Enttäuschung hinnehmen. Doch von Ettingshausen und Hoeltzenbein wandelten den Frust über die Nicht-Nominierung für den Achter in Energie um und legten eine starke Saison hin. Auch bei Olympia lief es gleich im Vorlauf rund und im stark besetzten Halbfinale kam das Duo ebenfalls gut klar. „Im Finale wollten wir dann natürlich Gold, doch wir mussten anerkennen, dass die Briten deutlich besser waren. Wir hatten zwar den schnelleren Start, aber bereits bei Streckenhälfte setzten sie sich entscheidend ab“, erinnert sich von Ettingshausen.

„Manni Beyer war der entscheidende Faktor“

Dass die beiden es überhaupt so weit geschafft haben, das schreibt von Ettingshausen vor allem ihrem damaligen Trainer zu, unter dessen Fittichen beide seit 1990 ruderten: der im vergangenen Jahr verstorbene Manfred Beyer: „Manni Beyer war der entscheidende Faktor. Er hat uns technisch und mental in kurzer Zeit in die Weltspitze gebracht. Er war für uns Trainer, Vertrauensperson und ebenso Ansprechpartner in vielen anderen Lebenslagen. Die Medaille war auch unser Dank speziell an ihn.“

Olympischer Gedanke

Eine schöne Szene lieferten der deutsche und der slowenische Bronze-Zweier nach dem Rennen. Ganz nach dem olympischen Gedanken tauschten Peter Hoeltzenbein und sein slowenischer Kollege Iztok Cop nach der Zieleinfahrt die Plätze und setzten sich auf den Bugplatz des anderen Zweiers: „Wir sind dann quasi im Mixed zur Siegerehrung gerudert. Wir haben uns während der ganzen Saison in den Rennen nichts geschenkt, aber als Menschen haben wir uns super verstanden. Deshalb fanden wir, das war die richtige Aktion für die Olympischen Spiele“, so von Ettingshausen.

23.02.2021 | von Felix Kannengießer

Der erste gesamtdeutsche Achter gewann bei Olympia 1992 in Barcelona Bronze.

Colin von Ettingshausen und Peter Hoeltzenbein bei Olympia 1992 im Zweier ohne Steuermann.

Die Namen der Olympia-Medaillengewinner sind bis heute an der Ehrentafel im Stützpunkt Dortmund festgehalten.

Besetzung

Deutschland-Achter 1992: Roland Baar (Hannoverscher RC), Armin Eichholz (Ruderverein Blankenstein/Ruhr), Detlef Kirchhoff (Potsdamer RG), Bahne Rabe (RC Hansa Dortmund), Frank Richter (DRC Hannover), Hans Sennewald (ORC Rostock), Ansgar Wessling (Ruderriege TVK Essen), Thorsten Streppelhoff (RV Dorsten), Steuermann Manfred Klein (RC Tegel). Trainer: Ralf Holtmeyer.
Zweier ohne Steuermann 1992: Colin von Ettingshausen (RG Benrath), Peter Hoeltzenbein (RV Münster). Trainer: Manfred Beyer

Einmal Silber, zweimal knapp vorbei

Auch der Vierer mit Steuermann konnte sich bei Olympia 1992 mit einer Medaille dekorieren. In der Besetzung Ralf Brudel, Uwe Kellner, Thoralf Peters, Karsten Finger und Hendrik Reiher gewann das Quintett Silber hinter Rumänien und vor Polen. Der von Dieter Grahn trainierte Vierer ohne Steuermann, der erst wenige Monate vor Olympia zusammengefunden hat, schrammte in Barcelona mit gerade einmal 15 Hundertstel-Sekunden an Bronze vorbei auf den vierten Platz. Armin Weyrauch, Matthias Ungemach, Dirk Balster und Markus Vogt blieben in einem extrem starken Feld knapp hinter Olympiasieger Australien, den USA und Slowenien. Das gleiche Ergebnis erzielte der Zweier mit Steuermann. Michael Peter, Thomas Woddow und Steuermann Peter Thiede wurden in Barcelona Vierter hinter Überraschungs-Olympiasieger Großbritannien, den Abbagnale-Brüdern aus Italien und Rumänien. Peter Thiede steuerte danach von 1993 bis 2008 den Deutschland-Achter. Der Deutsche Ruderverband holte in Barcelona in 14 Rennen insgesamt zehn Medaillen.

Termine

SH Netz Cup in Rendsburg:
Freitag, 06.09., ab 19:30 Uhr: Stadtwerke SH Ergo-Cup der internationalen Achter
Samstag, 07.09., 16:00 Uhr: Sprint-Regatta über 250 Meter im Rendsburger Kreishafen
16:55 Uhr: Ergo-Cup der Steuerleute
Sonntag, 08.09., 14.15 Uhr: Rudermarathon über 12,7 Kilometer von Breiholz nach Rendsburg 

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