Olympia 1988: Der Mythos wird neu geboren
Der Deutschland-Achter ist mehr als nur ein Ruderboot, viele unvergessliche Geschichten sind mit ihm verbunden. Wir blicken in den kommenden Monaten auf die olympischen Medaillen des Team Deutschland-Achter zurück. Heute: Olympia 1988 in Seoul.Der Deutschland-Achter hat in den vergangenen Jahren einige Serien aufgestellt. Auch nach dem Olympiasieg 1988 in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul blieb der Deutschland-Achter lange ungeschlagen. „Es gab allerdings einen großen Unterschied zu heute: Wir kamen quasi aus dem Nichts“, sagt Armin Eichholz, der damals Teil des deutschen Flaggschiffs war: „Wir konnten erst 20 Jahre nach dem letzten Sieg bei Olympischen Spielen, 1968 in Mexiko, wieder an den Mythos Deutschland-Achter anknüpfen.“
Noch vier Jahre zuvor, bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles (USA), stellte der Deutsche Ruderverband keinen Achter. „Mangels ausreichendem Vertrauen des olympischen Komitees in die Leistungsfähigkeit des Achters“, erklärt Eichholz, der zu dieser Zeit im B-Achter ruderte und in gewisser Weise seinen Teil dazu beitrug. Denn gleich bei der ersten internationalen Regatta in Essen siegte der junge B-Achter gegen den eigentlichen A-Achter. „Deswegen wurde am Ende niemand nominiert, da haben wir natürlich alle lange Gesichter gemacht“, so Eichholz.
Holtmeyer führt junge Truppe zu neuen Ufern
Nachdem auch 1985 bei der WM kein Achter nominiert wurde, änderten sich mit Ralf Holtmeyer als Trainer des Achters die Vorzeichen. Der junge Trainer führte die ebenfalls junge Truppe, mit einem Altersdurchschnitt von 22 Jahren, in den A-Bereich und schließlich zu den Weltmeisterschaften 1986. Im britischen Nottingham schafften sie es ins Finale, blieben dort als Sechster jedoch hinter ihren Möglichkeiten, ebenso wie im Jahr darauf bei der WM in Kopenhagen. „Da war es sogar sehr deutlich, da waren wir sehr frustriert“, berichtet Eichholz.
Entscheidende Veränderungen
Doch die Niederlage im Finale in Kopenhagen sollte lange die letzte bleiben, denn sie löste einen Prozess aus, der alles änderte. Trainer und Ruderer beschlossen gemeinsam in einer konstruktiven Mannschaftssitzung, das System zu verändern. Statt der Ergoleistung sollte nun die beste Leistung im Zweier als Nominierungskriterium für den Deutschland-Achter gelten. Der schnellste Zweier rückte dabei auf Schlag. Außerdem wurden im Training häufiger Wettkampfsituationen simuliert. „Das zusammen war der Game Changer für uns. Dazu kam, dass Ralf Holtmeyer ein unheimlich gutes Auge für den Rhythmus und die Harmonie hatte“, findet Eichholz.
Ungeschlagen zu Olympia
Mit drei neuen Ruderern im Vergleich zum Vorjahr und in neuer Reihenfolge blieb der Deutschland-Achter die gesamte Saison 1988 unbesiegt, durchgängig mit Start-Ziel-Siegen. „Dadurch hat sich eine ganz andere Lockerheit, ein anderes Selbstvertrauen ausgebildet. Das ist simultan gewachsen zum Erfolg. Heute würde man sagen: Wir sind in einen Flow gekommen“, so Eichholz. Der Höhepunkt sollte bei Olympia folgen.
Bei den Olympischen Spielen zeigte die Crew um Steuermann Manfred Klein ihre Stärken: Mit einem eleganten Stil und starken Zwischensprints brannte auch im Finale nichts an. Zwar kam den Ruderern zum Start des Rennens die Lockerheit etwas abhanden, doch ab der Rennhälfte entfernte sich der Deutschland-Achter Meter um Meter von der Konkurrenz aus der Sowjetunion und den USA. Der WM-Sechste vom Vorjahr konnte sich nach einer fabelhaften Saison tatsächlich mit Olympia-Gold krönen.
Eine Initialzündung
„Das war ein geiles Gefühl, wir waren danach wochenlang glückselig. Die ganze Saison verlief schon in einer positiven Spirale. Es hat einfach alles gepasst, auch sozial hatten wir immer ein gutes Miteinander“, berichtet Eichholz: „Für den Deutschland-Achter ist damit der Knoten geplatzt, danach gab es drei Weltmeistertitel in Folge. Und auch für Ruder-Deutschland hat sich dadurch einiges verändert. Der Achter hat viel mehr Aufmerksamkeit und eine neue Attraktivität bekommen.“
Der Ruhr-Vierer holt Olympia-Bronze
Auch der Vierer ohne Steuermann ruderte bei Olympia 1988 in die Medaillenränge und erfüllte sich damit einen lang gehegten Traum. Der sogenannte Ruhr-Vierer, den die Wittener Brüder Volker und Guido Grabow mit den Dortmundern Jörg Puttlitz und Norbert Keßlau bildeten, war über Jahre ein Garant für Erfolg am Dortmunder Stützpunkt. Sie gewannen unter anderem 1983 und 1985 den WM-Titel. Doch ausgerechnet in der Olympia-Saison gelang dem Quartett kein Sieg. In Seoul gab es trotzdem ein glückliches Ende.
Im olympischen Halbfinale ruderte der Ruhr-Vierer zum ersten Saisonsieg. Im Finale lieferten sie sich hinter der DDR mit den USA und Großbritannien einen heißen Kampf um den zweiten Platz. Denkbar knapp holte der deutsche Vierer schließlich Bronze hinter den Amerikanern. „Die Medaille war für uns die Versöhnung für Olympia 1984, wo wir ganz bitter Vierter geworden sind. Seoul habe ich in durchweg positiver Erinnerung. Bei Olympia lief es wieder bei uns. Schon aus dem finalen Trainingslager in St. Moritz sind wir mit einem guten Gefühl rausgegangen“, erinnert sich Keßlau.
Die Chemie stimmt bis heute
Für den Ruhr-Vierer war Olympia in Seoul allerdings der Abschluss einer Ära. Die Grabows beendeten ihre Laufbahn, Puttlitz und Keßlau holten 1989 nochmal WM-Gold im Deutschland-Achter. „Das war für mich ein toller Abschluss“, sagt der heute 58-Jährige, der danach ebenfalls seine Karriere beendete. Im Ruderboot sitzt die Crew vom Ruhr-Vierer trotzdem bis heute: Mindestens einmal im Jahr geht es gemeinsam auf den Dortmund-Ems-Kanal. Auch mit dem 88er Achter besteht noch Kontakt. Im Jahr 2018 haben sich alle in Nizza getroffen, um sich im Hochseerudern zu versuchen. „Die Chemie stimmt immer noch bei uns“, so Keßlau.
30.01.2021 | von Felix Kannengießer
Der Gold-Achter von 1988 nach der Zieleinfahrt im olympischen Finale.
Der Ruhr-Vierer hatte bei Olympia 1988 ebenfalls allen Grund zum Feiern und holte die Bronzemedaille.
Die Namen der Medaillengewinner von 1988 sind im Stützpunkt Dortmund an der Ehrentafel verewigt.
Besetzungen
Deutschland-Achter 1988: Thomas Möllenkamp, Matthias Mellinghaus, Armin Eichholz, Eckhardt Schultz, Ansgar Wessling, Wolfgang Maennig, Thomas Domian, Bahne Rabe, Steuermann Manfred Klein (Trainer: Ralf Holtmeyer).
Vierer ohne Steuermann 1988: Volker Grabow, Guido Grabow, Jörg Puttlitz, Norbert Keßlau (Trainer: Günter Petersmann).
Termine
SH Netz Cup in Rendsburg:
Freitag, 06.09., ab 19:30 Uhr: Stadtwerke SH Ergo-Cup der internationalen Achter
Samstag, 07.09., 16:00 Uhr: Sprint-Regatta über 250 Meter im Rendsburger Kreishafen
16:55 Uhr: Ergo-Cup der Steuerleute
Sonntag, 08.09., 14.15 Uhr: Rudermarathon über 12,7 Kilometer von Breiholz nach Rendsburg
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