Bergziegen - gefangen in Sprinterkörpern

Frühere Athleten des Deutschland-Achters überquerten per Rennrad die Alpen: 430 Kilometer und über 6.000 bewältigte Höhenmeter an vier Tagen

„Ich habe eine einfache Route ausgesucht, das sind insgesamt kaum mehr als 3000 Höhenmeter“ – mit solchen Ansagen war es Sebastian Schulte im Sommer gelungen, einen Großteil seines Weltmeister-Achters von 2006 für eine Alpenüberquerung per Rennrad zu gewinnen. Schulte meinte es ernst: Per Apps wie Strava oder Komoot feilte er minutiös Transalp-Touren-Pläne aus. Gegen jahrelang kultivierten Wettkampfgeist half das jedoch nicht: Schon an dem September-Abend, als die Truppe um Schlagmann Bernd Heidicker auf der Nordseite der Alpen zusammenkam, wurde schnell klar: Mögliche Höhepunkte wie das Stilfser Joch – zweithöchster Pass der Alpen – werden nicht umfahren, sondern frontal in Angriff genommen.

Auch Dieter Grahn war als Motivator und Begleiter dabei

Ex-Bundestrainer Dieter Grahn hatte seine Jungs am Olympiahaus in Garmisch-Partenkirchen in Empfang genommen. Seine Skepsis konnte der Erfolgs-Coach im Ruhestand nicht ganz verbergen. Die Form der Athleten stimmte weitgehend, auch äußerlich. Dennoch war leicht erkennbar: Hier versuchen sich die Sprintertypen des Radsports als Kletterkönige und Bergziegen.

Ex-Schlagmann Heidicker ging schon auf der ersten Etappe dahin, wo es wehtut  – auf den Boden. Doch sein leichter Sturz blieb erstens ohne Folgen und zweitens der einzige der gesamten Tour. Auch die ersten Steilstücke auf den 90 Kilometern rund um das Zugspitz-Massiv stellten die früheren Dortmunder Stützpunkt-Athleten kaum vor Probleme.

Rennrad-Kreisel mit geübter Präzision

Im Gegenteil, es blieb nach Zielankunft im Inntal noch reichlich Energie für alte Gewohnheiten. Wurde früher am Boot fine-getuned bis zur Perfektion, so bieten Rennräder inklusive der entsprechenden Mess-Apps heute noch viel mehr Möglichkeiten zur technischen Entfaltung. Den Reschen-Pass (1504 Meter) und damit den Übergang von Österreich nach Italien nahm die Mannschaft am Tag zwei dann recht locker und geschlossen, die Achter-Hälfte mit Heidicker, Thorsten Engelmann, Jan Tebrügge und Schulte funktionierte auch als Rennrad-Kreisel mit geübter Präzision. Vierer-Weltmeister Paul Dienstbach sorgte häufig vorne für Druck, und die früheren U23-Weltmeister Volker Utesch und Jörg Wagner fügten sich gut ins Peloton ein.

Auf der Königsetappe an Tag 3 zeigten Mannschaft und Trainer eine herausragende Leistung. Bei traumhaftem Sommerwetter erkämpfte sich Dienstbach auf dem rund 2000 Höhenmeter schweren Anstieg über den Umbrail-Pass auf das Stilfser Joch unangefochten den Titel des Bergkönigs. Alle Ex-Athleten holten raus, was heute noch so drin ist, und sanken erst an der Statue der italienischen Rad-Legende Fausto Coppi ganz oben auf dem Joch erschöpft aus dem Sattel. Unterdessen war Grahn mit dem Materialwagen und als Motivator überall präsent, wo er gebraucht wurde. So unterstützt bezwang auch Wagner trotz einer Holland-Flachland-Übersetzung am Rad den Höhepunkt der Tour.

Belohnung am Abend: drei Hauptgerichte pro Person

Für alle sieben Fahrer und den Begleiter bedeuteten die 130km, die unmittelbar nach dem Joch noch folgten, allerdings vollen Einsatz. Alleine drei Mal musste Sebastian Schulte, vom Pech verfolgt, zum Reifenwechsel rechts ran. Doch auch hier blieben die Pannen selbst in der steilsten Abfahrt ohne schlimmere Folgen. Mit mannschaftlicher Geschlossenheit wurde der lange Weg rein nach Südtirol bewältigt, die letzten Kilometer des Tages südlich von Bozen nochmals mit deutlich über 40km/h absolviert. Dafür stieg der Standard beim Abendessen von zwei auf drei Hauptgerichte pro Person.

Nach einer Schluss-Etappe von fast 100km und insgesamt 430km im Sattel reichte es dann bei Ankunft am Gardasee allen Alpen-Überquerern. Das Fazit ihres früheren Bundestrainers fiel vor allem angesichts der über 6000 bewältigten Höhenmeter gewohnt euphorisch aus: „Ich habe mich gewundert, was doch noch alles an Leistung rausgeholt werden kann – es war nicht alles schlecht!“

13.11.2020 |

Start der Alpen-Überquerung war an der Olympiaschanze in Garmisch-Partenkirchen: Volker Utesch, Sebastian Schulte, Jan Tebrügge, Thorsten Engelmann, Bernd Heidicker und Paul Dienstbach.

Es ging quer durch die herrliche Alpen-Landschaft.

Gute Laune bei Thorsten Engelmann und Jörg Wagner, aber auch ein Sturz (Bernd Heidicker, beobachtet von Sebastian Schulte) gehörte zu den vielen Erlebnissen der viertägigen Transalp-Tour.

Ein Selfie mit Motivator und Begleiter Dieter Grahn, dem früheren Bundestrainer, durfte natürlich nicht fehlen.

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