Stefan Weigelt: Techniker und Tausendsassa

In der neu aufgelegten Serie „Das Team hinter dem Team“ stellen wir in regelmäßigen Abständen einen Mitarbeiter aus dem Funktions- und Betreuerkreis vor. Heute im dritten Teil: Trainingswissenschaftler Dr. Stefan Weigelt.

Im Trainingslager in Sabaudia sind die Boote aus dem Team Deutschland-Achter aktuell wieder mit einer Antenne auf dem Heck unterwegs. Mithilfe der Messboottechnik können die Fahrten bis ins letzte Detail analysiert und optimiert werden. Die Technik hat sich in den vergangenen Jahren so enorm entwickelt, dass keiner mehr auf die Messbootfahrten verzichten will. Viele Ideen haben im Stützpunkt in Dortmund ihren Grund, in der Werkstatt von Dr. Stefan Weigelt. Der Trainingswissenschaftler des Team Deutschland-Achter ist beim Tüfteln genau in seinem Element. Doch der 61-Jährige ist nicht nur Theoretiker, sondern selbst Sportler durch und durch. Sogar Nationaltrainer war er schon.

Weigelt war immer sportverrückt, vor allem Tischtennis hatte es ihm früher angetan. Während des Studiums in Kassel (Mathe, Physik, Sport) sattelte er ins Traineramt über, leitete für den hessischen Verband die Tischtennis-Spieler an und später für den Landesstützpunkt. Über die Jahre brachte er es zum Bundeslehrwart, bildet seitdem selbst Trainer aus. Auch Wolfgang Boll, der Vater von Tischtennis-Ass Timo, war bei ihm in der Lehre. In seine Tischtennis-Leidenschaft steckte Weigelt viel Herzblut – rein ehrenamtlich. Nach der Promotion in Sportwissenschaften und einem kurzen Abstecher als Programmierer in die EDV-Industrie wollte er auch beruflich Sportler voran bringen.

Ringen, Rhythmische Sportgymnastik und Leichtathletik

Im Jahr 1997 stieg Weigelt beim Olympia-Stützpunkt Westfalen als Trainingswissenschaftler ein, betreute lange Jahre die Nationalmannschaften der Freistil-Ringerinnen und -Ringer, analysierte aber auch für die Rhythmische Sportgymnastik und die Leichtathleten. „Zu dem Zeitpunkt habe ich noch viel Biochemie gemacht, also Laktat und ähnliches. Aber es waren auch schon Bewegungs- und Videoanalysen dabei“, erinnert sich Weigelt. Seit 2006 hat sich sein Aufgabengebiet deutlich mehr zur technischen Seite verschoben, seitdem kümmert er sich beim Team Deutschland-Achter um die Messbootfahrten.

Über 13.000 Datensätze gesammelt

Damals steckte die Technik noch in ihren Kinderschuhen. Weigelt, der sich schon als Jugendlicher durch Programmierung nebenbei etwas verdiente, optimierte das vom Institut für Forschung und Entwicklung (FES) entwickelte System mehr und mehr. Mit viel Einsatz sorgte er für mehr Genauigkeit, Zuverlässigkeit und eine bessere Handhabung. Zudem können immer mehr Parameter gemessen werden: ob Ruderwinkel, Schlaglänge, Kraftverteilung, Beschleunigung oder die Bewegungen der Rollsitze und des Bootes. Obendrein hat Weigelt mit seinem Sohn Jan eine Software entwickelt, die es ermöglicht, die Werte live auf einen Tablet-PC zu übertragen – ganz übersichtlich gekennzeichnet mit Farben auf einem Tachometer oder als Kurven in einer Tabelle. Alle Ergebnisse hat er in einer Datenbank festgehalten, über 13.000 Datensätze sind es bislang.

„Stärken ausbauen, Schwächen minimieren“

„Die Akzeptanz bei den Ruderern ist mit den Entwicklungen immer weiter gestiegen. Mit der Hilfe der Live-Daten können sie ihre Bewegungsabläufe verbessern, Stärken ausbauen und Schwächen minimieren. Auch die Trainer greifen gerne auf die Messboottechnik zurück. Sie haben ohnehin ein Auge für Fehler, mit der Technik können sie ihre Eindrücke bestätigen oder neue Impulse gewinnen“, sagt Weigelt, der die Entwicklung der Messboottechnik noch lange nicht am Ende sieht: „Ich arbeite immer an Verbesserungen und neuen Features, momentan an einem drahtlosem System über Funk. In Zukunft wollen wir noch ein ganz neues System auf den Weg bringen, die Vorbereitungen dafür laufen seit einigen Jahren.“

Seine anderen Aufgaben neben dem Rudern hat Weigelt seit seinem Wirken beim Team Deutschland-Achter heruntergefahren, die volle Konzentration gilt den Messbootfahrten. Damit hat er auch allerhand zu tun, 130 Fahrten sind es pro Jahr, dazu kommen die Vorbereitung und nachher die Auswertung. Nur seine Laufschuhe hat er nie an den Nagel gehängt, Laufen hat einen langen Teil seines Lebens geprägt – als Sportler und als Teamchef der Nationalmannschaft.

Teamchef beim Ultra-Marathon

Bereits beim Marathon-Boom in den 90er-Jahren hatte Weigelt mitgemacht, seitdem absolviert er jedes Jahr mindestens einen Marathon – 90 sind es mittlerweile. „Ich bin ein Ausdauer-Bolzer, beim Laufen komme ich in einen richtigen Flow. Deswegen bin ich immer dabei geblieben. Und es hat sich dann auch ein gewisser sportlicher Ehrgeiz entwickelt“, sagt Weigelt, der sich beim Ultra-Marathon einen Namen gemacht hat. 2007 wurde er Deutscher Mannschafts-Meister (mehrfach Deutscher Vizemeister mit der Mannschaft) und holte sich ein Jahr später über die 100 km den Einzeltitel bei den Senioren und wieder ein Jahr später den Sieg beim 24-Stunden-Rennen in Iserlohn und lief dabei 205km am Stück.

Von 2010 bis 2013 war der geborene Berliner als Ultramarathonberater beim Deutschen Leichtathletik-Verband auch Teamchef der Ultra-Marathon-Nationalmannschaft und führte das Team zur Weltmeisterschaft. Insgesamt holte er mit den Teams international dreimal Gold, einmal Silber und viermal Bronze. Auch an der Feder hat er Talent bewiesen: Seine Erfahrungen auf der Strecke hat er gemeinsam mit Lutz Aderhold niedergeschrieben, sein Fachbuch „Laufen!“ ist gerade in der zweiten Auflage erschienen.

Auch an der Gitarre ein Könner

Neben dem Laufen, das altersbedingt immer mehr in den Hintergrund tritt, ist Musik der große Ausgleich für Weigelt. Denn nebenbei spielt er noch in der Band „Jazz’is“ und feiert demnächst sein 50-jähriges Bühnenjubiläum. Im Ruderboot sitzt er übrigens auch hin und wieder, wenn er mal ins Sauerland zum Angeln aufs Wasser rausfährt. „An meiner eigenen Rudertechnik muss ich allerdings noch arbeiten“, sagt Weigelt mit einem Lachen. Die nötigen Instrumente dafür hat er ja.

05.01.2020 | Von Felix Kannengießer

Ob aktuell im Trainingslager in Sabaudia oder zu Hause am Stützpunkt in Dortmund: Stefan Weigelt ist mit seinen Messbootfahrten dabei.

Stefan Weigelt, der Tüftler: Das Messbootverfahren hat der Techniker über die Jahre immer weiter entwickelt.

Mittels einer von Weigelt programmierten App lassen sich viele Werte der Ruderer live darstellen.

Nachher werden die Ergebnisse mit den Trainern und Ruderern, hier Marc Leske, besprochen.

Als Ultra-Marathon-Läufer hat Stefan Weigelt einige Erfolge eingefahren…

…und ist als Trainer sogar Weltmeister geworden.

Abschalten kann Weigelt auch an der Gitarre.

Termine

EM in Szeged (Ungarn, 25.-28. April):
Achter: Bahnverteilungsrennen: 1. GBR, 2. RUM, 3. ITA, 4. GER, 5. UKR, 6. AUT; Finale (Sa., 15.26 Uhr)
Zweier ohne Steuermann: Vorlauf: 1. SUI, 2. SRB, 3. NED, 4. GER, 5. HUN; Hoffnungslauf (Fr., 10.53 Uhr); AIN, GER, LTU, ESP, POL; Halbfinale (Sa., ab 11.20 Uhr); Finale (So., 12.51 Uhr)
Live-Audio und Live-Tracker (ab Do.) und Live-Stream (ab Sa.): worldrowing.com

Qualifikationsregatta in Luzern (Schweiz 19.-21. Mai 2024)
Weltcup in Luzern
(Schweiz, 24.-26. Mai 2024)
Weltcup in Poznan
(Polen, 14.-16 Juni 2024)
Trainingslager in Völkermarkt
(Österreich, 18. Juni - 3. Juli 2024)
Trainingslager in Ratzeburg (11.-20. Juli 2024)
Olympische Spiele in Paris (Frankreich, 27. Juli - 3. August 2024)
SH Netz Cup in Rendsburg (6.-8. September 2024)

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