Vom Ruderer zum Mediziner
Johannes Weißenfeld hat seine sportliche Laufbahn beendet und einen neuen Weg eingeschlagenNach den Olympischen Spielen 2021 in Tokio haben einige der Ruderer aus dem Deutschland-Achter ihre Laufbahn als Leistungssportler beendet. Johannes Weißenfeld hingegen war für diesen Schritt damals noch nicht bereit und hatte sich eine Rückkehr immer offengelassen. Der ursprüngliche Plan war, nach einjähriger Pause wieder einzusteigen. Er hatte in diesem Jahr aber gemerkt, dass das Feuer fürs Rudern auf diesem Niveau nicht mehr brannte und die Motivation erloschen war. Und so steht fest: Auch der Herdecker wird nicht mehr in den Deutschland-Achter zurückkehren und stattdessen seinen Weg als Mediziner vorantreiben. Wir haben mit ihm über seine Beweggründe gesprochen und blicken auf seine Karriere zurück.
Die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Tokio, die wegen der Corona-Pandemie ein Jahr später stattfanden, war für die Sportler besonders kräftezehrend. Nach dem Gewinn der Silbermedaille mit dem Deutschland-Achter brauchte Johannes Weißenfeld deswegen damals etwas Abstand von dem Sport, den er schon seit der Schulzeit betreibt. „Direkt nach Olympia hatte ich erst einmal keine Lust mehr auf Rudern. Ich habe es so lange so intensiv gemacht, ich war ein bisschen überdrüssig, aber ich wollte die Tür nicht verschließen, deswegen habe ich das Pausenjahr eingelegt“, erklärt er: „Während dieser Zeit ist die Entscheidung gereift, nicht mehr zurückkehren.“
Auf dem Weg zum Arzt
Direkt nach Olympia gönnte sich Weißenfeld einen verdienten Urlaub, schon im Oktober rückte aber das Medizinstudium an der Ruhr-Universität Bochum in den Fokus. „Ich hatte viele Dinge nachzuholen, die durch das Rudern auf der Strecke geblieben sind. Ich habe Vollgas gegeben, um wieder richtig Anschluss in der Uni zu finden“, erzählt er. Mittlerweile ist der 28-Jährige „scheinfrei“, muss also keine Kurse mehr absolvieren. Jetzt stehen noch die letzten von 120 Tagen Praktikum an, im April 2023 das zweite Staatsexamen, das praktische Jahr und eine mündliche Prüfung. „Dann bin ich Arzt“, so Weißenfeld, der sich besonders für innere Medizin und Kinderheilkunde interessiert. In seinem neuen Tätigkeitsfeld hat Weißenfeld sogar eine Parallele zum Rudern erkannt: „Es kommt immer auf das Team an. Dann macht selbst die größte Quälerei Spaß“, sagt er: „Ich bin gespannt, wie es sich jetzt weiterentwickelt. Es ist eine aufregende Zeit. Der Job bringt viel Verantwortung mit sich.“
Klare Entscheidung
Was seinen beruflichen Weg angeht, sprüht Weißenfeld vor Motivation. Und genau das war es, was ihm beim Rudern zuletzt fehlte. Zwar hielt er sich während des Pausenjahres fit, trainierte bis zu siebenmal die Woche und absolvierte Leistungstests, doch als Bundestrainer Uwe Bender zur neuen Saison anrief, war die Entscheidung gefallen: „Ich habe mir viel Zeit genommen, um zu schauen, ob die Lust aufs Rudern und das Feuer, das für Leistungssport unerlässlich ist, zurückkommt. Ich sehe es als Privileg an, Teil des Team Deutschland-Achter gewesen zu sein, aber da muss man zu 100 Prozent hinter stehen – und mir fehlte der innere Antrieb dafür. Ich bin mit dem Kopf mittlerweile woanders“, sagt Weißenfeld ganz ehrlich.
Neue Sportarten
Im Ruderboot saß Weißenfeld nach Olympia nur noch dreimal, jeweils bei seinem Heimatverein, dem RC Westfalen Herdecke, und einmal beim Alumnitreffen am Dortmunder Leistungszentrum. „Ich will mich jetzt lieber in einem neuen Sport verbessern, als zu sehen, wie ich mich im Rudern immer weiter verschlechtere“, so Weißenfeld, der sich nun zum Beispiel auf dem Rennrad oder beim CrossFit auspowert. Dem Team Deutschland-Achter bleibt er aber immerhin als Zuschauer erhalten. Erst kürzlich bei der Langstrecke in Dortmund war er wieder an der Strecke. „Ich stehe ja auch mit vielen noch in Kontakt. Ich verfolge das alles noch sehr akribisch“, verrät er.
Sieben Jahre Teil des Team Deutschland-Achter
Ein bisschen vom Team Deutschland-Achter wird wohl immer in ihm weiterleben. Sieben Jahre war er ein Teil des Teams, sein Einsatz auf und neben der Strecke ist kaum hoch genug einzuschätzen. Als U23-Sportler wurde er 2015 frühzeitig in den A-Kader aufgenommen und schaffte es sofort in den Vierer ohne Steuermann. „Mein Zweierpartner Max Korge und ich hatten damals einfach einen guten Spirit und haben den Drive mitgenommen. Wir haben zusammen mit Jakob Schneider in einer Dreier-WG gewohnt und wir wussten alle, wo wir hinwollten“, erinnert sich Weißenfeld, der mit beiden ehemaligen WG-Partnern noch gut befreundet ist, ebenso wie mit Felix Wimberger, mit dem er Sport und Kaffee als Leidenschaften teilt.
Vom Tief ins Hoch
Weißenfeld konnte sich als U23-Sportler im A-Kader zeigen, bei Olympia in Rio de Janeiro schaffte er es dann aber nicht in den Vierer, sondern fuhr – genauso wie Torben Johannesen – als Ersatzfahrer mit. Für ihn war das im Nachhinein ein wichtiger Moment. „Ich war zuerst natürlich richtig traurig, aber ich habe auch gesehen, dass ich es schaffen und oben mithalten kann. Daraus habe ich Energie und Kraft gezogen, das war meine Motivation und hat mir einen Umschwung gegeben“, erzählt Weißenfeld.
„Jeder steckt sein Herzblut rein“
Und tatsächlich, nach Olympia in Rio wurde der Herdecker ein fester und wichtiger Teil des Deutschland-Achters, der bis zur Silbermedaille bei Olympia in Tokio vier Europameisterschaften und drei Weltmeisterschaften in Folge gewann. „Ich habe mich über den WM-Titel mit dem Achter aber nicht mehr gefreut als über den fünften Platz im Vierer 2015“, reflektiert Weißenfeld: „Es ist immer ein absolutes Highlight gewesen, im Team zusammen mit anderen Menschen Erfolge zu erreichen – und der gemeinsame Weg dahin. Man weiß, dass auf den anderen Verlass ist und jeder sein Herzblut reinsteckt. Das habe ich am Rudern auch so geliebt.“
28.12.2022 | von Felix Kannengießer
Bilder seiner Karriere: Johannes Weißenfeld.
Herausforderungen meistern
Für den Rudernachwuchs hat Johannes Weißenfeld noch einen Tipp parat, der ihm bei den größten Herausforderungen in seiner sportlichen Laufbahn geholfen hat: „Es ist immer wichtig, am Ball zu bleiben und sich auf das Wichtigste zu konzentrieren. Man muss den Willen haben, sich jeden Tag im Training zu verbessern, denn beim Wettkampf strengt sich jeder an. Es gibt immer viele Nebenschauplätze, tausend Baustellen, doch da muss man bei sich bleiben und an dem arbeiten, was man selbst verändern kann – also die eigene Leistung, Disziplin, Beharrlichkeit und Hunger. Das gilt es in die richtigen Wege zu leiten und zu kanalisieren.“
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