Vom Sportler zum Wissenschaftler

In der neu aufgelegten Serie „Das Team hinter dem Team“ stellen wir in regelmäßigen Abständen Mitarbeiter aus dem Funktions- und Betreuerkreis vor. Heute im fünften Teil: Leistungsdiagnostiker Volker Grabow.

Als Sportler hat Volker Grabow eine beeindruckende Karriere hingelegt. In seiner aktiven Zeit von 1972 bis 1988 war er einer der prägendsten Ruderer, wurde 13-mal Deutscher Meister sowie im Vierer ohne Steuermann zweimal Weltmeister und Bronzemedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen in Seoul. Im Boot sitzt der 63-Jährige heute nur noch in der Freizeit, mittlerweile kümmert er sich im Team Deutschland-Achter darum, dass andere ihre Leistung bringen: Grabow ist seit über 30 Jahren für die Leistungsdiagnostik zuständig.

Nach dem Leben als Leistungssportler hatte Grabow einen fast nahtlosen Übergang zu seinem neuen Arbeitsbereich als Sportwissenschaftler. „Ich habe mich immer für die Dinge bei der Leistungsdiagnostik interessiert. Als Sportler ging es mir natürlich mehr um meine Statistiken, aber auch das Verfahren dahinter fand ich spannend. Als Ruderer war ich öfters mal mit im Labor“, erinnert sich Grabow, der als aktiver Sportler an der Ruhr-Universität Bochum Mathematik sowie Sport studierte und ein Jahr nach dem Karriereende als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Mathematik der TU-Dortmund einstieg. Im Jahr 1993 folgte schließlich die Festanstellung am Institut für Sport und Sportwissenschaft. Das Rudern aber blieb auch in dieser Zeit sein Steckenpferd.

Entwicklung der Leistungsdiagnostik

1988 bestritt Grabow sein letztes Rennen als Leistungsruderer, schon ein Jahr später war er erstmals als Betreuer mit dem Team Deutschland-Achter im Trainingslager. Seitdem gehört er fest zum Team hinter dem Team und hat das Leistungsdiagnostik-Verfahren auf ein neues Level gebracht. „Schon als Aktiver habe ich ein bisschen mitentwickelt. Wir haben das ganze Verfahren verfeinert und mehr Parameter hinzugefügt, um genau herauszufinden welches Training bei welchem Sportler am besten wirkt“, erklärt Grabow, der Trainings- und Leistungsdaten erstmals miteinander verknüpfte und zu diesem Thema auch einige Publikationen herausgegeben hat.

Forschung an der TU Dortmund

Beim Team Deutschland-Achter hat Grabow eine wichtige Rolle, auch bei den nordischen Ski-Athleten und im Fitnessbereich hat er seine Spuren hinterlassen. Und natürlich in der Wissenschaft, bei seiner Lehre und Forschung an der TU Dortmund. „Das alles ist ja auch miteinander verbunden. Die Forschung im Laktatbereich kann ich ganz dem Rudern widmen“, sagt Grabow, der am Stützpunkt in Dortmund neben den Riemen-Männern auch den U23-Bereich und die Frauen betreut. Doch das macht er nicht ganz alleine.

Weil das Pensum durch die Weiterentwicklungen immer mehr wurde, bekam Grabow bei der Leistungsdiagnostik schnell Unterstützung: Gerold Heyden erweiterte das Team, mit ihm arbeitet Grabow nun seit fast 30 Jahren zusammen. Heyden ist Biologe und Trainer beim Gewichtheben. „Wir sind ein gutes Team und ergänzen uns prima. Er kümmert sich um die Dinge, die mit Muskulatur und Kraft zu tun haben, die biologisch erklärbar sind. Mein Gebiet sind eher Herz und Ausdauer, dazu der mathematisch-theoretische Teil“, erzählt Grabow. Auch mit den anderen Bereichen, wie dem Ärzteteam oder Trainingswissenschaftler Stefan Weigelt, besteht eine enge Zusammenarbeit.

Regelmäßige Analyse

Das Team Deutschland-Achter macht am Stützpunkt in Dortmund regelmäßig alle paar Wochen Ausdauertests, um das Stoffwechselprofil zu überprüfen. Dann geht es dreimal acht Minuten lang mit steigendem Widerstand aufs Ruder-Ergometer. Über das Kapillarblut in den Ohrläppchen werden die Laktatwerte ermittelt, auch die Sauerstoffaufnahme, der Flüssigkeitshaushalt, Puls und Herzfrequenz sind wichtige Parameter zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit. Darüber hinaus wird auch bei Wettbewerben und auf dem Wasser analysiert. „Da geht es dann zum Beispiel darum, ob sich alle Ruderer einer Bootsmannschaft gleichmäßig einbringen“, gibt Grabow einen kleinen Einblick in seine Arbeit.

Das Leistungsdiagnostik-Team kann auf viele Erfahrungswerte zurückgreifen. Das ist für eine genaue Analyse auch enorm wichtig, wie Grabow erklärt: „Um einen Athleten richtig einordnen zu können, braucht es fast drei Jahre. Da gibt es so viele Faktoren. Zunächst musst du dich mit der Muskulatur des Sportlers beschäftigen, anschließend herausfinden wie sie auf das Training reagiert, um schließlich die richtigen Umfänge und Intensitäten festzulegen.“ Am Ende werden die Ergebnisse mit den Sportlern besprochen und Empfehlungen an das Trainerteam weitergegeben.

„Wir wandern an der Klippe entlang“

Die Leistung hochzufahren, ist das eine, auf der anderen Seite achten Grabow und Heyden aber auch darauf, dass keine Überbelastung eintritt. „Wir wollen aus jedem Sportler das Optimum herausholen. Deswegen soll nicht zu locker trainiert werden, aber auch nicht zu intensiv. Da musst du immer ein Auge drauf haben. Wir fahren das System bis zum Anschlag hoch und wollen es dort halten. Da wandern wir an der Klippe entlang und müssen aufpassen, dass niemand hinunter fällt“, so Grabow.

Olympia-Crew trifft sich immer noch

Für den 63-Jährigen ist es bei der Arbeit ein Vorteil, dass er selbst Ruderer war. „Das kann bei der Interpretation der Werte helfen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ein Ergotest sich anfühlt. Ich weiß, dass es längst nicht alles ist, was ich messe, und dass man noch andere Faktoren berücksichtigen muss. Rudern ist nicht nur eine total anstrengende, sondern auch eine extrem komplizierte Geschichte“, sagt Grabow, der selbst übrigens noch häufig ins Boot steigt. Neben Ausflügen zu seinem Heimatclub RC Witten, wo er in den 80er-Jahren mal Trainer war und sich auch um Talentsichtung gekümmert hat, bietet er Touren im Gig-Boot an und rudert ansonsten mit seinen ehemaligen Mitstreitern auf der Ruhr und dem Baldeneysee. Die Vierer-Crew, mit der Grabow Weltmeister und Olympia-Dritter wurde, hat sich ihr Original-Boot sogar selbst gekauft und lässt die Erinnerungen regelmäßig auch auf dem Wasser hochleben.

Grabow will weitermachen

Außer dem Rudersport und seinem Hobby Segelfliegen ist Grabow vor allem seine Familie wichtig, sechs Enkelkinder hat er. „Mit denen will ich immer so viel Zeit wie möglich verbringen. Ich führe sie auch schon an verschiedene Sportarten heran“, sagt der Essener mit einem Leuchten in den Augen. Mit dem Beruf aufhören will er deswegen aber noch lange nicht: „Irgendwann machen Gerold und ich gemeinsam Schluss. Aber es macht so viel Spaß. Momentan würde ich sagen: Wenn die Trainer uns wollen, dann könnte ich mir vorstellen, auch noch einen Olympiazyklus anzuhängen.“

22.02.2020 | von Felix Kannengießer

Volker Grabow nimmt bei Nico Merget Blut ab. Bereits seit über 30 Jahren ist er für die Leistungsdiagnostik zuständig.

Die Bestimmung der Laktatwerte erfolgt regelmäßig für alle Sportler am Dortmunder Stützpunkt.

Dafür ist ein kurzer Pikser im Ohr nötig.

Anschließend wird das Blut sofort im Labor untersucht.

Ist auch immer für einen Spaß zu haben: Volker Grabow mit Hannes Ocik und Maximilian Munski.

Termine

EM in Szeged (Ungarn, 25.-28. April):
Achter: Bahnverteilungsrennen: 1. GBR, 2. RUM, 3. ITA, 4. GER, 5. UKR, 6. AUT; Finale (Sa., 15.26 Uhr): AUT, ITA, GBR, ROU, UKR, GER.
Zweier ohne Steuermann: Vorlauf: 1. SUI, 2. SRB, 3. NED, 4. GER, 5. HUN; Hoffnungslauf: 1. ESP, 2. LTU, 3. GER, 4. AIN, 5. POL; Halbfinale (Sa., 11.26 Uhr): CZE, CRO, SUI, ITA, ESP, GER; Finale (So., 12.51 Uhr)
Live-Audio und Live-Tracker (ab Do.) und Live-Stream (ab Sa.): worldrowing.com

Qualifikationsregatta in Luzern (Schweiz 19.-21. Mai 2024)
Weltcup in Luzern
(Schweiz, 24.-26. Mai 2024)
Weltcup in Poznan
(Polen, 14.-16 Juni 2024)
Trainingslager in Völkermarkt
(Österreich, 18. Juni - 3. Juli 2024)
Trainingslager in Ratzeburg (11.-20. Juli 2024)
Olympische Spiele in Paris (Frankreich, 27. Juli - 3. August 2024)
SH Netz Cup in Rendsburg (6.-8. September 2024)

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